GFK - Körperorientierte Prozessbegleitung

Unterstützung - Veränderung - Entwicklung

Kennen Sie das auch bei sich?

  • Es tauchen ständig wieder die gleich Muster im Denken und Fühlen, im Erleben und Verhalten auf, die die persönliche, partnerschaftliche oder berufliche Entwicklung hemmen und mit der Zeit sogar zu körperlichen Symptomen führen.
  • Sie spüren wie langanhaltender Stress oder traumatische Erlebnisse muskuläre Verspannungen verursachen. Sie finden aber keinen Weg, um da wieder herauszukommen.

Dann ist es angebracht, die momentane Lebenssituation in Bezug auf die körperliche Befindlichkeit anzuschauen!

Hier bietet sich die Körperorientierte Prozessbegleitung an:

Die körperorientierte Prozessbegleitung enthält Anteile aus Psychotherapie, Focusing und Körperpsychotherapie. Dies bedeutet, dass neben dem Gespräch auch die direkte Arbeit mit dem Körper und damit verbunden die nonverbale Kommunikation von grosser Bedeutung ist. Auf der Basis des personzentrierten Ansatzes wird der körperliche Zugang zur Person mit dem sprachlichen Dialog verbunden.
Es geht dabei vor allem um die Erweiterung der eigenen Handlungs- und Wahlmöglichkeiten. Man kann sich auf eine neue und gesündere Art auf die eigenen Themen und die eigende Umwelt einlassen. Das bedeutet Freiheit!

 

Hilfreiche Modelle des ©GFK-Institut Zürich

(Gespräch, Focusing, Körper)

Das Charakterstrukturmodell GFK

"Ist das denn nicht bei allen so...?"

Im Alltag und in der Arbeitswelt prägen die Auseinandersetzungen durch die unterschiedlichen Charakterstrukturen den Umgangston. Sie tragen wesentlich zum Gelingen oder Scheitern von Beziehungen und Zusammenarbeit bei und sind daher zentral in jedem Leben.

Das GFK-Charakterstrukturmodell bietet eine neue verstehbare und lernbare Sprache, um über sich, sein persönliches Erleben und über dasjenige der andern differenzierter und entspannter zu kommunizieren. Es ist eine Sprache, die Verständnis gegenüber sich selbst und gegenüber anderen fördert. Denn: Sich richtig verstanden fühlen ist entscheidend für die persönliche erfolgreiche Entwicklung. Das Reflektieren mittels des Modells ermöglicht im Kontakt und in den Begegnungen mehr Tiefe, mehr Menschlichkeit und mehr Nähe. Gespräche werden interessanter und erkenntnisreicher.

Das GFK-Charakterstruktur-Modell entwirft eine mögliche Art und Weise, wie wir uns mit einigen unserer hartnäckigsten und einer Veränderung widerstehenden Muster (strukturgebundenes Erleben) befassen können, ohne sie zu pathologisieren.

Das Modell beschreibt drei Gruppen von Mustern:

  • Die Leistungsmuster (Obere Strukturen) beschreiben drei verschiedene Varianten, wie Menschen sich körperlich strukturieren, wie sie lernen und leisten.
  • Die Sensibilitäten (Mittlere Strukturen) beschreiben elf alltägliche Themen, auf die man sich sensibilisieren kann, in denen man in Verengungen geraten und die Kommunikation abstürzen lassen kann.
  • Die Grundprägungen (Untere Strukturen) beschreiben drei grundlegende Arten, die Welt zu verstehen, in der Welt zu leben und sich in Beziehungen zu verhalten.

Das Bindungsartenmodell GFK

Im Bindungsartenmodell geht es um Eigenarten und Muster in Beziehungen - im Gegensatz zu Eigenarten und Muster innerhalb einer Person.

Bindungsprozesse sind immer ein Geschehen zwischen zwei oder mehr Menschen. Bindungsprozesse können die verschiedensten Eigenschaften haben: Für eine gewisse Weile entsteht ein Beziehungslebewesen mit einer eigenen Qualität.

Bindungsprozesse können die verschiedensten Eigenschaften haben. Sie sind langsam, schnell, blockiert, erstarrt, isoliert, mit anderen Prozessen verknüpft, lebendig, beweglich, flexibel und vieles anderes. In der Arbeit mit dem Bindungsartenmodell interessiert uns, was den lebendigen Prozess in Beziehungen weiterentwickelt. Schlussendlich sollen die vielen kleinen täglichen Bindungsprozesse den gesamten Lebensprozess weitertragen.


Körperpsychotherapie GFK

"Es ist wichtig zu wissen, ob jemand müde oder traurig ist, auch wenn es sich ähnlich anfühlen kann."

Eine Sprache für körperliche Empfindungen finden:

“Wie fühlt es sich innerlich an?“ Mit dieser Frage sind Patient*innen oft überfordert. Das innere Erleben und die Sprache dafür müssen sich zuerst (wieder) entfalten können. Eine innere Dynamik beschreiben zu können, ist essentiell, um verstanden zu werden und sich unter Menschen bewegen zu können.

Verschiedenste Methoden eines körperlichen Dialoges helfen und begleiten darin, das individuelle innere Erleben und dessen Bedeutung auszuformen

"Denn auch jetzt machen die Menschen genau den Fehler, dass manche getrennt für eins von beiden, die Gesundheit der Seele und des Körpers, Ärzte zu sein versuchen."  Plato, 427-348 v. Chr., Charmides

GFK-Modelle in der Physiotherapie

Interview mit Beat Streuli

Interviewt von Christiane Geiser und Ernst Juchli am 15.02.2016

Download: Interview als PDF

 

Interviewende (I): Wieso bist Du denn eigentlich damals in eine Psychotherapieausbildung gekommen? Was hat Dich bewogen?

Beat Streuli (BS):

Ich war schon immer interessiert an psychologischen Zusammenhängen. Darum habe ich nach meiner Kaufmännischen Ausbildung auf einem Jugendsekretariat gearbeitet. Ich wollte eigentlich noch die Sozialarbeiter-Ausbildung machen. Aber dann hat mir in der Arbeit je länger je mehr der Einbezug des Körpers gefehlt. Darum habe ich eine Physiotherapieausbildung absolviert. Nachdem ich lange an Kliniken auf verschiedenen Stationen gearbeitet hatte, zuletzt auch in leitender Funktion eines grossen Teams, musste ich mich irgendwann entscheiden, ob ich mich weiter in Richtung Management entwickeln sollte oder zurück zum Patienten gehen wollte.

Ich habe ich mich dann für die Patienten entschieden!

Die Physiotherapie als „offenes System“ (d.h. als ein System, in dem alles offenbar sichtbar/fühlbar zutage liegt und in dem man dann die kranken, beschädigten, verletzten Teile behandeln kann) kam meiner damaligen Art zu denken entgegen. Statt aber mit der Zeit noch mehr und mehr ähnlich geartete Weiterbildungen zu machen (die ausgerechnet in unserem Feld unendlich sind), wollte ich lieber den Faden meines Psychologie-Interesses wieder aufnehmen: Focusing kannte ich schon – und da war das GFK als Ausbildungsinstitut eine naheliegende Wahl.

 

I: Und wie ist es Dir denn anfangs ergangen mit diesen unterschiedlichen Welten?

BS: Tatsächlich waren die zu Beginn sehr verschieden, und es war ein ziemlicher Spagat, mich darin hin und her zu bewegen. Die Ausbildung in „Basic Body Awareness Therapie“ (BBAT), einer Behandlungsmethode im Bereich der psychosomatischen Physiotherapie, hat mir dabei ein bisschen geholfen, diese Arbeitsweise erlebte ich als eine Art Mittelding.

Aber die eigentliche Lernbewegung war: Physiotherapie und die GFK-Prozessbegleitung nicht additiv nebeneinander zu stellen oder nacheinander zu praktizieren, sondern mit der Zeit so zu integrieren, dass es in mir selber und auch dem Patienten gegenüber gar keinen Begründungsnotstand mehr gegeben hat.

 

I: Was genau meinst Du damit? Kannst Du ein Beispiel sagen?

BS: Ich verzichte in meiner Arbeit weder auf das eine noch auf das andere. Natürlich nutze ich meine Physio-Fachkompetenz und zen­trie­re z.B. eine Hüfte oder deblockiere ein Gelenk, wenn das not­wen­dig ist. Aber meine Hände haben inzwischen ihre Qualität erweitert: Ich behandle nicht einfach nur und „richte“ etwas oder „mache“, sondern meine Hände hören auch zu, spüren verschiedene Schichten im Körper der Person, die ich berühre, sie begleiten Prozesse, die sich erst anbahnen, die sich vielleicht im Gewebe abspielen oder in der Atmung und nicht im Gelenk. Ich „warte“, bis Wirbel „antworten“ oder bis das Gewebe erwacht und mir „entgegenkommt“. Ein gemeinsames „Wirbelgeflüster“, wie es eine Patientin nannte. Einmal ist es sogar gelungen, dass aus dieser Art von geduldiger Zusammenarbeit zu enge Verhältnisse im Spinalkanal sich wieder so weit geöffnet haben, dass die Patientin um eine Dekompressions-OP mit Versteifung von mehreren Wirbelkörpern herumgekommen ist. Es war nur mehr ein kleiner minimal-invasiver Eingriff nötig.

 

I: Das heisst ja auch, dass da Patienten etwas lernen können, ja sogar müssen?

BS: Ja, es ist eine Wahrnehmungsschulung. Ich frage beim Patienten auch verbal nach, wie sich etwas anfühlt. Gebe kleine Schritte in der Körperwahrnehmung vor – Orte, Körperstellen; helfe zu finden, zu fokussieren. Manchmal mache ich auch Vorschläge, gebe Wörter, wenn die Sprache dazu noch fehlt.

Nicht nur dazuliegen und sich behandeln zu lassen – so sehr man das (je nach Bindungswunsch) auch manchmal möchte und brauchen kann, das ist legitim –, sondern mitzumachen, dort an den berührten Stellen auch hinzuspüren, hinzuatmen, sich dort zu treffen, zusammenzukommen, gemeinsam etwas zu ändern. Es ist erstaunlich, was da passieren kann.

 

I: Das hat ja dann sehr viel zu tun mit der dialogischen Körperarbeit im GFK?

BS: Genau.

Ich nenne das: „Körperliche Dialogische Prozessbegleitung“.

Zum Beispiel hatte ich letztens einen Patienten mit einer „frozen shoulder“, das ist ein sehr häufiges Beschwerdebild, mit dem Menschen in die Physiotherapie kommen. Der Patient hatte unzählige Behandlungen hinter sich, die alles nur noch verschlimmert hatten, vor allem die letzte Physiotherapie hatte ihm derart wehgetan, dass er sich fast fürchtete, sich wieder anfassen zu lassen.

Ich hörte ihm erst mal ganz lange zu[1] (später sagte er mir, dass das die „vertrauensbildende Massnahme“ gewesen sei, dass er 90% hätte sprechen dürfen und nicht umgekehrt. In unserem Konzept der Bindungsprozesse würden wir sagen, da ist jemand mit jemandem zusammen ein bisschen angekommen). In der nächsten Sitzung bewegte ich ganz vorsichtig das eingefrorene bewegungsunfähige Gelenk, nur im Rahmen dessen, was möglich war. Ich dia­gnos­ti­zierte physiotherapeutisch eine Dezentrierung, ein Impingement (eine eingeklemmte Sehne), eine Capsulitis und so weiter, das behielt ich im Hinterkopf. Gleichzeitig schaute ich, wie das alles mit seinem Sitzen, seinem Stehen, seiner Haltung, seiner allgemeinen Bewegungsfähigkeit interagiert (der Patient hatte einen vorwiegend sitzenden Beruf, in dem er anderen lange zuhörte). Meine Behandlung begann dann auf der anderen Seite des Körpers, mit der anderen Schulter. Die konnte auch nicht wirklich loslassen, obwohl es die „gesunde“ war. Ich hatte einen klassischen Drucktypen vor mir; dieses Mal von den Charakterstrukturen her geschaut.[2]

Also konnte ich mich nun all diese interessanten Dinge fragen: Wie schaffe ich bei einem Druckmenschen mehr Raum? Wie gewinne ich bei einem zusätzlich problemsensiblen Anteil mehr kreative Freiheit? Generell und vor allem in den Schultern? Wie kann mein Patient lernen, nach der ungünstigen Vorgeschichte, zu vertrauen und mir seinen Arm zu übergeben – vielleicht erst den „gesunden“, dann den traumatisierten, schmerzenden? Wie kann seine Schulter ausatmen lernen? Kann dieser Patient, unabhängig vom Symptom, eine Musterhaftigkeit, Einseitigkeit erkennen? Und noch weiter gefasst: Wie würde sich sein Leben verändern, wenn er seine Arme freier bewegen, irgendwann auch wieder ausstrecken, wenn er tiefer atmen könnte usw.

 

I: Also muss auch der Patient den Weg zurücklegen in seiner Haltung und in seinen Ansprüchen, den Du auch lernen musstest: vom „Hier ist mein Symptom, mach es weg“ zu: „Wie kann ich denn in Beziehung treten zu meinem Symptom, wie kann ich mich ihm nähern, was brauche ich, was kann ich selber dazu tun?“

BS: Das „Sich-in-Beziehung-Setzen“ (zueinander; zum Symptom; zum Felt Sense[3] dazu) ist für uns beide absolut notwendig und eigentlich das Spannendste an meiner Arbeit. In mir gibt es ja auch eine körperliche und gefühlsmässige Resonanz zu den Symptomen meiner Patienten, manchmal fühlt sich z.B. so ein Arm „verloren“ an oder „verschreckt“ oder „eingefroren“. Ich reagiere dann entsprechend, das zeigt sich sicher in der Art der Berührung, im Ton meiner Stimme. Manchmal reagiere ich auch auf eine sich anbahnende Entladung irgendwelcher Art – ein Zucken, ein Zittern, ein Dagegen-Spannen –, und dann kann es in Richtung eines „autonomen Prozesses“[4] gehen. Bei den generell als schwierig eingestuften Fibromyalgie-PatientInnen mache ich damit gute Erfahrungen, wenn sich auf einmal im Gewebe oder in der Muskulatur etwas freizittern kann und die Person sich nachher leichter, schmerzfreier fühlt. Sie lernt auf diese Weise loszulassen – was ja im Leben durchaus auch ein Thema sein könnte! Manchmal gibt es Tränen, die Person kann es sich aber nicht erklären; das Schluchzen schüttelt den Körper jedoch und verbindet und löst. Das hat nun vielleicht von aussen gesehen nicht direkt etwas mit dem Symptom zu tun, und doch steht die Person danach zufrieden auf.

 

I: Du begleitest also, gehst mit, manchmal ein Stück voraus, wie wir es vom verbalen Begleiten auch kennen.

BS: Ja, das klientenzentrierte Denken schliesst ja auch mit ein, dass ich Vorschläge machen kann und der Patient sie (auch körperlich) ausprobieren kann. Alles, was die Wahlfreiheit erhöht, ist in unserer Arbeit positiv zu werten.

In der BBAT kennen wir noch eine zusätzliche sehr wirksame Fragestellung: Wir vertrauen auf die Kraft der Wünsche – wohin, wonach strebt der Patient? Wieder im Garten arbeiten können? Mit seinen Enkelkindern spielen können? Wieder auf einem Berg stehen? Wieder ein Instrument spielen können?

 

I: Sprechen wir doch noch über die Ausbildung von PhysiotherapeutInnen resp. über ihre Weiterbildung. In den Weiterbildungen und Supervisionen, die Du seit Jahren, anfangs mit Christiane Geiser und jetzt mit Ernst Juchli, anbietest und in denen Du Elemente des GFK vermittelst, legst Du offenbar viel Wert auf die Charakterstrukturen und die Bindungsprozesse. Kannst Du da auch noch etwas dazu sagen?

BS: Ja. Fast alle Reha- und Schmerzedukationsprogramme, die ich kenne, sind für alle Menschen unterschiedslos gleich konzipiert. Auch die physiotherapeutischen Herangehensweisen sind sich alle ähnlich. Nun sind aber die Menschen bekanntlich so sehr verschieden, und doch findet dieses Faktum kaum Eingang in die Ausbildungen und auch nicht in wissenschaftliche Studien!

Das GFK hat komplexe, ausgefeilte Theorien entwickelt, die der Charakterstrukturen und die der Bindungsprozesse, die dem Rechnung tragen.

Ich will dazu drei Beispiele aus den oberen Charakterstrukturen[5] anführen, die in unserem Beruf hilfreich sein können:

Weiter oben habe ich schon von meinem „Druck-Klienten“ erzählt. Druck-Leute wollen und vertragen viel Druck. In der Behandlung brauchen diese PatientInnen zuerst Druck und Kompression, bevor sie anderes zulassen können.

Bei den „Segmentierten“ bewährt es sich, wenn zuerst in einem ganz eingegrenzten Bereich (Segment) gearbeitet wird. Für sie fühlt es sich so „richtiger“ an. Erst nachher kommen dann die für sie schwierigen Übergangsstellen dran – die Verbindungen über schmerzende Stellen hinweg in andere Bereiche. Vergisst man jedoch dieses Verbinden, dann können sich im Nachhinein die Symptome verschlimmern.

Die „Röhren“ hingegen, die ihren Körper eher am Stück spüren und bewegen, fühlen sich nicht wahrgenommen, wenn man an einer Stelle oder innerhalb eines einzigen Segments bleibt – sie brauchen schon von Beginn an den Einbezug des möglichst ganzen Körpers, bevor sie sich dann einer Stelle vertieft widmen können.

 

I: Diese Beispiele sind noch nah am Körper – haben andere Strukturanteile eher mit dem Beziehungsgeschehen in der Praxis zu tun?

BS: Ja, vor allem die mittleren Charakterstrukturen. Diese werden in der Weiterbildung und vor allem dann in der Supervision immer wichtiger – und zwar sowohl diejenigen Strukturanteile der PatientInnen wie auch diejenigen der PhysiotherapeutInnen – und deren Zusammenspiel in der Beziehung. Physiotherapie hat häufig mit längeren Prozessen zu tun, mit chronischen Verläufen, und die PatientInnen sind nicht immer „einfach“ – wie in der Psychotherapie auch. Dort gehört jedoch – im Gegensatz zur Physiotherapieausbildung – der Umgang mit schwierigen Menschen zur Ausbildung.

Nur schon das Kennenlernen der „Symptomsensibilität“ wäre in der Physiotherapieausbildung unverzichtbar, finde ich. Bei dieser Sensibilität entstehen so viele Missverständnisse, so viel Unmut und Stress auf beiden Seiten, wenn man das Identitätsbildende dieser Struktur nicht versteht. Aber auch bei problem- und angstsensiblen PatientInnen kann die „Begleitmusik“ der mittleren Strukturen so laut sein, dass sie stärker im Vordergrund steht als die Symptomatik selber. Ein weiterer wichtiger Punkt: Auf der Seite des Therapeuten ist es ratsam, seine eigenen Verengungen gut zu kennen. Reagiere ich selber mit Angst auf Symptome oder auf schwierige Beziehungssituationen? Bewerte ich mich dauernd selbst aufgrund des Therapieerfolges – wenn es gut läuft, bin ich ein toller Therapeut; wenn die Symptome sich aber nicht bessern, stürze ich ab in die Vorstellung, ich sei halt zu wenig gut und müsse dringend noch eine Weiterbildung machen? Oder der Kollege nebenan wüsste da sicher besser Bescheid! Oder gerate ich machtsensibel sofort ins Handeln, ohne warten zu können, bis etwas entsteht, an dem sich beide, Patient und Therapeut, beteiligen können? Die Liste lässt sich weiter fortsetzen...

Für die PhysiotherapeutInnen wäre diese Art der Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Resonanzen sehr erhellend und hilfreich.

Wichtig ist auch das Verständnis der Bindungsprozesse. In der Physiotherapie helfen sie uns zu sehen, auf welche Art der Patient in der Lage ist, am therapeutischen Prozess mitzuwirken. Nicht allen gelingt es, selbständig zu Hause ein Übungsprogramm durchzuführen, auch wenn dies Sinn machen würde. Manchen gelingt es nur, Übungen zu machen, wenn sie dabei angeleitet werden. Da können z.B. geleitete Übungsgruppen helfen. Wieder andere sehen gar nicht, dass sie sich aktiv beteiligen können, möchten einfach, dass der Therapeut ihnen das Symptom wegmacht. Wenn diese Patienten dann in eine Trainingstherapie geschickt werden, macht es die Situation meist schlimmer.

 

I: Was wünschst Du Dir für die Zukunft der Physiotherapie?

BS: Ich wünsche mir, dass es zukünftig in den Aus- und Weiterbildungen vermehrt wieder um den Menschen geht, der krank ist oder Symptome zeigt. Im Moment sind wir primär am Symptome-Behandeln oder auch nur am Verwalten. Dabei muss ein Symptom ja nicht unbedingt etwas Schlechtes sein, sondern es kann auch eine adäquate und gesunde Reaktion des Individuums auf eine ungünstige Lebenssituation sein. Ich möchte, dass das Individuelle des Menschen wieder mehr zum Vorschein kommt, vor allem natürlich bei chronischen oder langwierigen Krankheitszuständen. Es geht immer auch um Grundlegendes, um ganz persönliche Geschichten und die ganz eigene Art, mit Krankheit, Schmerz oder Irritation und Unsicherheit im Leben umzugehen.

Ich hoffe, dass zukünftig die Disziplinen Psychotherapie und Phy­sio­the­ra­pie mehr zusammenkommen. Da sehe ich mich als Ver­mittler.

Leider beobachte ich im Moment aber eher, dass gerade auch im GFK der körperliche Ansatz mehr und mehr am Verschwinden ist. Das würde ich sehr bedauern.

 

I: Beat, wir danken Dir für das Gespräch!

 

Lesehinweise (GFK-Publikation: Gesprächspsychotherapie, Focusing, Körperpsychotherapie)

[1] Den Patienten dort abholen, wo er ist, siehe Beitrag von Christiane Geiser über den klientenzentrierten Ansatz (S. 111-132).

[2] Siehe Beitrag von Othmar Loser-Kalbermatten über die GFK-Charakterstrukturen (S. 215-239).

[3] Ein wichtiger Begriff in der Theorie Eugene Gendlins, siehe Beitrag von Eveline Moor über Focusing (S. 139-161).

[4] Siehe Beitrag von Jules Zwimpfer über die klientenzentrierte Körperpsychotherapie (S. 171-184) und von Marga Moser über die energetische Perspektive (S. 189-206).

[5] Siehe Beitrag von Othmar Loser-Kalbermatten über die GFK-Charakterstrukturen (S. 215-239, zu den oberen Charakterstrukturen besonders S. 218-222).

 


Publikationen GFK

Gesprächspsychotherapie, Focusing, Körperpsychotherapie
Prozesse verstehen, Prozesse begleiten

Erschienen: März 2017, BoD-Verlag.

Der Berufsverband SGfK ist die Herausgeberin dieses Buches. Es ist entstanden in einem langen Prozess und aus dem Mitwirken von vielen Beteiligten. Mit diesem Buch ist es gelungen, alle in der GFK-Ausbildung vermittelten Modelle und Konzepte vorzustellen und anhand des ausführlichen Therapieprozesses zu Beginn des Buches die Anwendung zu veranschaulichen.

Zyklisches Denken
Ein Denkstil für die Arbeit mit lebendigen Prozessen, entwickelt in der Klientenzentrierten Körperpsychotherapie
Erzählt von Ernst Juchli und Ulrich Schlünder

Erschienen: März 2017, BoD-Verlag.

Das zyklische Denken ist als Hintergrund für alle Modelle und Verfahren zu verstehen und beschreibt die FORM des Denkens, die zu den in der Psychotherapie und Beratung untersuchten lebendigen Prozessen passt. Ernst Juchli hat zusammen mit seinem langjährigen Kollegen Ulrich Schlünder diesen Denkstil entwickelt und nun in Buchform gefasst.